Dienstag, 4. Februar 2014

Eine Mittagspausengeschichte

Rosanna wollte das Leben malen.
Sie nahm braune Erde und das Blau des Himmels, brachte das Grün der Bäume und die Buntheit des Sommers dazu, malte das Gold eines Herbstes und die weisse Ruhe des Winters, vermischte sie mit dem betörenden Duft des Frühlings, schüttete die Pracht der Sonne darüber aus und liess es von den Geheimnissen der Winde durchwehen.
So malte sie ein Bild des Lebens, das sie liebte. Das Bild atmete Freude aus. Es tönte wie ein herzhaftes Lachen, schmeckte nach Glück und fasste sich an wie Wahrheit.
Rosanna fand ihr Bild so schön und lebendig, dass sie es Gott schenken wollte.
Gott lächelte, als es das Bild sah. „Mein Kind, dein Bild ist wunderbar. Ich will dir helfen, dass es vollkommen wird.“ Und Gott schenkte ihr den Glauben.
Da verwandelte sich das Bild von Rosanna. Sie malte die Glut der Hingabe, das Feuer der Jesusliebe, die Begeisterung von Gott in das Bild. Es behielt die Freude, wurde aber tiefer und reifer, bekam einen überirdischen Glanz und reichte in die letzten Geheimnisse des Lebens hinein.
Das Mädchen wurde zur Frau, und wieder legte sie Gott ihr Lebensbild hin.
Gott nickte zustimmend, aber er gab ihr das Bild zurück und schenkte ihr das Leid.
Da tupfte Rosanna auf das Meer der Freude die Tränen von Menschen, malte an den wunderbar bunten Regebogen einen kleinen schwarzen Rand, zeichnete in die grünen Hoffnungsbäume den Trauerflor, mischte mitten in den bunten Sommer die Kränkungen und Verwundungen ihres Herzens, fügte zur Sonne der Liebe die Nacht des Leides, ergänzte Wonne mit Qual und Lachen mit Weinen.
Das Bild wurde durch die Töne der Schwermut und Trauer noch echter und schöner.
Still ging Rosanna zu Gott. “Herr, nimm mein Bild, ich habe es mit Herzblut und Schmerzen gemalt.“ Gott sah sie gütig an. „Ich habe noch ein letztes Geschenk für dich, das schwerste.“
Und er schenkte ihr die Einsamkeit.
Noch einmal wandelte sich das Bild. Es wurde stiller. Alles Aufgeregte, Schreiende wurde gemildert. Sanfte, einfache, demütige Farben begannen zu leuchten. Menschenstimmen, Zeitgeister, Tagesformen wurden umgestaltet in ruhige Worte des Lebens, Weisheit des Himmels und Sehnsucht nach Ewigkeit.
Nun erst konnte man den ganzen Zauber des Lebens erkennen.
Da nahm Gott das Bild zu sich und sprach: „Nun ist es ausgereift. Wir werden es in meinem Reich zum ewigen Leben erwecken.“
Autor leider unbekannt / übermittelt von mea

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