Samstag, 1. November 2008

Drei Minuten Sonnenschein

Am Mittwoch dieser Woche hatte ich unser Auto nicht zur Verfügung und fuhr also nach der Arbeit mit dem Zug heim.
Es war den ganzen Tag schon dunkel, trüb, kalt und regnerisch. Richtiges Herbstwetter eben.
Ich also nach Feierabend mit Schirm und fröstelnd zum Bahnhof. Der Zug war schon da, also stieg ich ein und setzte mich in ein noch leeres Viererabteil.
Nicht lange danach stieg ein junger Bursche ein, vielleicht sechzehn. Mit den obligatorischen Ohrstöpseln für seinen MP3-Player, dem ostentativ coolen Getue eines Teenagers und natürlich ohne zu fragen, ob ein Platz frei sei, setzte er sich mit in mein Abteil.
Ein paar Minuten später stieg eine junge Frau mit Kinderwagen ein, nahm ihr Baby auf den Arm und kam ebenfalls in unser Abteil, ihr Kind auf dem Schoss.
Das Kind, ein etwa fünf Monate altes Mädchen, inspizierte erst mal seine Umgebung. Mama redete ihm sanft zu, wie brav es die lange Reise bis jetzt sei.

Und das Kind saß ganz still, sah nur mit ernstem Gesicht jede einzelne Person in unserem Abteil der Reihe nach an, als müsse es sich die Gesichter einprägen. Mir fiel auf, das kleine Mädchen schaut jedem in die Augen, ganz aufmerksam. Als die Reihe an den jungen Mann kam, der rechts neben ihr saß, blieb der Blick der Kleinen an ihm haften. Unbewegt, mit großen Augen schaute und schaute sie ihn an, so lange bis auch er sich ein wenig zur Seite wandte und sie ebenfalls anblickte.
Eine Weile sahen die zwei sich nur an, auf einmal aber trat durch die abweisende Miene des Jungen ein Lächeln. Und auch in das kleine Mädchen kam plötzlich Leben, es lachte ganz unvermittelt, zappelte und krähte vergnügt. Bei dem Jungen war daraufhin die coole Arroganz verschwunden, er lachte und schäkerte ein bisschen mir ihr, in den Augen Herzlichkeit und Wärme.
Ich dachte mir, was für ein kleiner Sonnenschein. Diese süße Maus hat in weniger als 8 Minuten (länger dauerte meine Zugfahrt nicht) das Herz dieses Jungen berührt, hat ganz ohne Worte das Eis zum Schmelzen gebracht.

Auf meinem Weg vom Bahnhof nach Hause spürte ich dann Regen und Kälte gar nicht. Ich war in Gedanken noch bei den Beiden und dem Zauber der gerade erlebten Minuten.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

eine echt berührende geschichte...
und sehr gut erzählt!
dp