Montag, 5. Juli 2010

Perspektive

Er ist Gruppenleiter in einem grossen Unternehmen, Ende Fünfzig und eigentlich immer Herr der Lage, ruhig, besonnen, ein bisschen distanziert.
Auf jeden Fall aber wirkt er, als habe er stets alles im Griff.
Doch plötzlich spielt ihm die Bandscheibe derart übel mit, dass er von jetzt auf gleich zum Notarzt und sich danach durch die medizinische Mühle drehen lassen muss.
Der Vorfall war samstags, am Montag musste er natürlich seinen "Schäfchen" mitteilen, dass er nicht kommen würde und wie sie arbeitstechnisch weiter verfahren sollten.
Auch da weiss er telefonisch Punkt für Punkt alles aufzuzählen, was bearbeitet werden muss, gibt die Prioritäten dafür an - eben auch hier - alles im Griff.
Doch dann ändert sich der Ton, etwas zaghaft wünscht er zu wissen, ob die Sekretärin schon im Hause sei, er müsse sie nämlich fragen, was nun mit dem ärztlichen Attest zu tun sei. Er wisse das überhaupt nicht, weil er in seinem gesamten Berufsleben noch nie krank gewesen sei.
Und auf einmal klingt seine Stimme unsicher und auch ein bisschen unglücklich.
Aus dieser Sicht kennt er das Leben nicht.
Alle wünschen ihm, dass er möglichst bald wieder ganz gesund ist, und es wird auch sicher alles wieder gut, vielleicht dauert es eine kleine Zeit.
Aber doch denke ich, es ist auch ein Gewinn, das Leben mal für eine Zeit aus einer anderen Perspektive zu betrachten und daraus seine Schlüsse ziehen zu dürfen.
Genau das wünsche ich ihm und natürlich gute Genesung.

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